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29.06.2013 geschr. am 26.11.2009 von eb
, - Artikel
John Keats, Teil 3
Oden
und Sonette.
Vorwort
Nach der Behandlung der
Person John Keats, Teilen seiner privaten
Korrespondenz und einigen Verserzählungen, möchte ich ein wenig bei zwei Oden und einem Sonett von ihm verweilen.
Oden
Oden waren/sind Gedichtformen die aus der Antike übernommen wurden. Aufgrund der besonderen Sprachhaltung innerhalb eines Szenarios, welche in der englischen Lyrik vorher vollkommen fehlte, und neue Methoden der Artikulation bot, erfuhren sie besonders in der Romantik eine große Popularität. John Keats gilt als einer derjenigen, welche sie
innerhalb der englischen Dichterwelt zur Vollendung geführt haben. Diesbezüglich können
sie als Gedichtform mit einem sehr ausgeprägten meditativen Betrachtungscharakter angesehen werden. Will sagen, - Oden genießt man indem man sich in ein produziertes Bild,
hinein versetzt, und im Falle von Analogien diese versucht zu enträtseln.
5 Strophe aus "Ode on a Gracian urn"
Die Ode an eine grichische Urne, aus dem Jahr 1819, kann man als eine imaginative Reflexion bezeichnen,
in welcher Keats einen Dialog mit/über die Vergangenheit führt, und in welcher er die Urne
versucht als praktisch zeitlose Geste seiner eigenen Begrifflichkeit von Ruhm, Wahrheit und Schönheit darzustellen. Dies endet in der letzten Strophe mit den zwei Zeilen:
"Schönheit ist Wahrheit, Wahrheit schön - soviel wisst ihr auf Erden, und dies Wissen reicht."
Die ständige Verbindung zwischen den beiden Begriffen Wahrheit und Schönheit kann man Keats nicht alleine anlasten, denn dies ist, auch in seinem Umfeld, auf die platonische Tradition zurückzuführen, welche zu diskutieren auch im 18 Jhd. und ganz besonders unter Dichtern, gang und gäbe war. Ebenfalls sollte man dies nicht zu praktisch sehen, auch wenn Keats Überfixierung auf die Bedeutung von Schönheit in seinem praktischen Leben mitunter dagegen spricht. Da Dichtung bei Keats nicht nur Arbeit sondern gelebte Überzeugung war, besteht bei ihm aber generell das Problem, das nicht zwischen dem Begriff der Schönheit im praktisch ästhetischem Sinne, und der Schönheit als Analogie, welche Dinge einfach nur als schön, - weil besser ansieht, trennen kann. Bei Keats ist insofern alles gleitend, und relativ frei von Separationen. Der praktische Mensch ist kaum vom Visionären zu unterscheiden. Keats als Weltverbesserer zu bezeichnen, der sich eine bessere (schönere) Welt vorstellt, ist zu einfach. Ihn als Menschen mit spirituellen Sehnsüchten zu betrachten, der unabhängig von Religionen, mit Hilfe der Dichtkunst versucht über den Begriff der Schönheit eine Form von Analogie herzustellen, könnte der Sache näher kommen. Diesbezüglich hätte er dasselbe Problem wie alle Menschen die versuchen, ohne gemeinsame Sprache dafür, ihre Spiritualität versuchen zu beschreiben. Wobei die Dichtkunst natürlich das nächstmögliche Mittel darstellen würde, welches sich noch der Sprache bedient.
O Attic shape! fair attitude! with brede
Of marble men and maidens overwrought,
With forest branches and the trodden weed;
Thou, silent form! dost tease us out of thought
As doth eternity: Cold Pastoral!
When old age shall this generation waste,
Thou shalt remain, in midst of other woe
Than ours, a friend to man, to whom thou say'st,
'Beauty is truth, truth beauty,—that is all
Ye know on earth, and all ye need to know.'
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O Attische! Form schöner Art! im Bund
Mit Männern, Mädchen marmorn überdeckt,
Mit festgetretnem Laubgezweig im Rund;
Du Stille, die uns aus dem Denken schreckt
Wie Ewigkeit: Du kaltes Hirtenspiel!
Wenn uns das Alter fortrafft eines Tags,
Sollst du bestehn, von Leid, dem hier nichts gleicht,
Umringt, ein Freund dem Menschen, dem du sagst:
"Schönheit ist Wahrheit, Wahrheit schön"; soviel
wisst ihr auf Erden, und dies Wissen reicht."
|
"Ode on Melancholy"
Mit dieser Ode möchte ich euch lieber, ohne große Beimerkungen alleine lassen.
Angemerkt sei nur noch mal der Umstand, das John Keats die Melancholie gefürchtet,
und sie als eine große Gefahr für seine Seele angesehen hat.
"Lethe" steht für ein Gewässer aus der griechischen Unterwelt.
"Proserpina" ist die "geraubte" Gemahlin von Pluto, des Gottes der Unterwelt.
"Nachtschatten" ist ein anderes Wort für "Belladonna", ein damals beliebtes
Arzneimittel, aber auch ein Synonym für eine Prostituierte.
(Es gibt Leute die sehen darin ein Wortspiel auf;
"La Belle Dame sans Merci", eine sehr empfehlenswerte Ballade von John Keats.)
"Eibenbeere" und "Eisenhut (Wolfswurz)" sind beide Giftpflanzen, wobei letztere
auch in der griechischen Mythologie eine große Rolle spielte.
NO, no! go not to Lethe, neither twist
Wolf's-bane, tight-rooted, for its poisonous wine;
Nor suffer thy pale forehead to be kist
By nightshade, ruby grape of Proserpine;
Make not your rosary of yew-berries,
Nor let the beetle, nor the death-moth be
Your mournful Psyche, nor the downy owl
A partner in your sorrow's mysteries;
For shade to shade will come too drowsily,
And drown the wakeful anguish of the soul.
But when the melancholy fit shall fall
Sudden from heaven like a weeping cloud,
That fosters the droop-headed flowers all,
And hides the green hill in an April shroud;
Then glut thy sorrow on a morning rose,
Or on the rainbow of the salt sand-wave,
Or on the wealth of globèd peonies;
Or if thy mistress some rich anger shows,
Emprison her soft hand, and let her rave,
And feed deep, deep upon her peerless eyes.
She dwells with Beauty—Beauty that must die;
And Joy, whose hand is ever at his lips
Bidding adieu; and aching Pleasure nigh,
Turning to poison while the bee-mouth sips:
Ay, in the very temple of Delight
Veil'd Melancholy has her sovran shrine,
Though seen of none save him whose strenuous tongue
Can burst Joy's grape against his palate fine;
His soul shall taste the sadness of her might,
And be among her cloudy trophies hung.
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Nein, nein, geh nicht zur Lethe, press dir nicht
Vom Eisenhut, zähwurzlig, Gift ins Glas -
Wenn Nachtschatten dein blässliches Gesicht
Auch küsst, die Purpurfrucht Proserpinas;
Flicht keine Eibenbeern zum Rosenkranz,
Auch Totenuhr und Totenkopf lass sein
Als Klagepsyche, und als Freund im Leid
Trau der zerzausten Eule niemals ganz:
Der Schattenzug stellt sich zu schleppend ein
Und schluckt der Seele wache Ängstlichkeit.
Doch wenn Melancholie vom Himmel fährt
Wie eine Wolke plötzlich tränen will,
Die alle schlaffen Blütenkelche nährt
Und Hügel hüllt ins Grabtuch des April -
Dann schöpf von Morgenrosen neuen Mut,
Von Regenbogen, Dünen, Salz und Sand
Und reichem, kugligem Päonienflor;
Und zeigt die Herrin köstlich ihre Wut,
Lass sie nur rasen, fang die zarte Hand
Und dring tief, tief in diese Augen vor.
Sie lebt mit Schönheit - Schönheit, die bald stirbt;
Mit Freude, deren Kusshand ewig winkt
Und sagt Adieu - und Wonnen nah verdirbt,
Schon Gift wird, da der Bienenmund noch trinkt.
Ja, selbst im Tempel höchsten Glücks versteckt
Melancholie noch ihren Hochaltar,
Nimmt, wessen Zunge des Glücks Traube sprengt
Am feinen Gaumen, ihn auch einzig wahr;
Sein Geist wird, ihre Trauermacht geschmeckt,
Zu ihren düsteren Trophäen gehängt.
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Sonett
Die klassische (petrarkische) Form des aus Italien stammenden Sonett
(kleines Tonstück), welches immer aus 14 Zeilen, und vier
Strophen besteht, erfährt eine Trennung in zwei Teile.
Einen Aufgesang durch die zwei ersten Strophen, die aus
2 Quartetten (Vierzeiler) bestehen, und einen Abgesang
durch die beiden letzten Terzette (Dreizeiler).
Im Aufgesang wird i.d.R. der Sachverhalt dargestellt,
und im Abgesang die Aussage, bzw. Schlussfolgerung.
Oft werden dabei mehrere Sonette zu einem Zyklus zusammengefasst.
In der englischen Literatur wurde aber ab dem 16 Jhd.,
die Vers-, als auch die bisher strenge Reimform maßgeblich
geändert, und fortan als Shakespeare-Sonett benannt. Eine
Form die natürlich auch John Keats übernahm.
Hierbei werden drei Quartette von einem
zweizeiligen "Heroic Couplet" abgeschlossen.
Die Reimform entspricht dabei drei Kreuzreimen in den
Quartetten, und einem Paarreim im abschließenden "Heroic Couplet".
Bezüglich der strukturellen Aufteilung, hat sich der Auf-, bzw.
Abgesang, in die Aufteilung in These (die ersten zwei Quartette), Antithese
(drittes Quartett), und eine aphorismusartige Synthese im abschließenden
Couplet geändert, welche man bedingt als Abgesang bezeichnen kann.
Besonders die "Shakespeare-Sonette", speziell auch von Shakespeare selber,
haben in heutigen Zeiten eine Art Mystizismus erfahren. Dies liegt ein wenig
an der streng geregelten Form, welche oft als kompliziert angesehen wird, und
deshalb dazu führt Sonette lieber zu meiden. Ich möchte hiermit ein wenig aufräumen,
denn tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Besonders Menschen mit eher rational
ausgelegter Mentalität, oder welche die sich für Dichtung bisher gar nicht interessiert
haben, bietet gerade diese Form den leichtesten Einstieg. Durch die Regelung und Strukturierung sind hier die meisten Möglichkeiten vorhanden, dichterische Absichten an
vordefinierten Plätzen zu suchen. Ganz besonders die strukturelle Aufteilung in These,
Antithese und abschließender Synthese, haben Sonette von Shakespeare immer zu Diskussionsobjekten auch für ein vielschichtigeres Publikum werden lassen.
Der Sinn dieser Regelungen ist durchaus auch darin zu suchen, den Dichter ein wenig
damit zu quälen seine Gedanken möglichst auch einer größeren Anzahl von Menschen verständlich zu machen.
To Fanny
Dieses Stück wurde wahrscheinlich gegen Ende 1819 geschrieben, und wurde erstmals
1848 veröffentlicht. Es wird merkwürdigerweise oft mit der "Ode to Fanny" verwechselt, welche aber aus sieben Strophen besteht, und nichts mit einem Sonett gemein hat.
Ob die Überschrift "To Fanny" richtig ist, ist ebenfalls fraglich, aber
das Fanny Brawne gemeint ist, kann als gesichert angesehen werden.
Interessant ist die Verwendung der Sonettform für ein erotisches Liebesgedicht,
was bezüglich der strukturellen Aufteilung oft zu Verunsicherungen führt, und
deshalb dazu, das die Bezeichnung Sonett vorsichtigerweise weggelassen wird.
Das ist schade, weil gerade diesbezüglich eine echte Herausforderung darin liegt.
Wer die Liebesbriefe von Keats an Fanny Brawne mit diesem Sonett vergleicht, dem
wird die erschreckende Ähnlichkeit der Inhalte auffallen. In beiden ist eine ständig
wiederkehrende unbewusste ( oder bewusste ?) austarierte, halbrekursive Manipulation
zu finden, die ständig Liebe einfordert, selber aber selten zu gibt. Zusammengefasst,
bzw. etwas salopper, könnte man es so bezeichnen; Gehöre ganz mir, sonst sterbe ich,
aber sei ehrlich dabei. Das ist jetzt natürlich ein wenig arg einfach, aber kann als Basis dienen.
Besonders deswegen weil in seinen Briefen diese Manipulation, in welcher er Fanny Brawne
praktisch zur von ihm erwarteten Liebe hinsteuert, noch viel offensichtlicher zu Tage tritt.
Dabei ist fairerweise aber auch das von Männern dominierte gesellschaftliche Umfeld der Zeit Keats
ebenso zu erwähnen, wie die sexuelle Doppelmoral des vorviktorianischen Englands zu dieser Zeit.
(An dessen Grenzen er sich hier doch ganz schön vor gewagt hat.)
Natürlich könnte ich mich jetzt vielen kursierenden Arbeiten und Interpretationen dieses
Stückes anschließen, oder eigene Interpretationen wagen. Dabei sollte aber nicht der Umstand
übersehen werden, das ausgerechnet von Keats eigenen Freunden die Erwähnung dieses Stückes
auffällig gemieden wurde. Und wie heißt es so schön; Auch ein Dichter wie John Keats ist nur ein Mensch.
Lange Rede, kurzer Sinn. Teilt man das Stück in seine Shakespear'sche Sonettstruktur auf, d.h. die ersten zwei Quartette in die These, das dritte Quartett in die Antithese, und die
letzten zwei Zeilen in die Synthese, unter der Voraussetzung das man die Begrifflichkeiten
nicht so ganz ernst nimmt, denkt dabei so unkompliziert wie möglich, (am besten gar nicht), und sieht in den letzten zwei Zeilen statt Sinn einen Erschöpfungszustand, - erkennt man, das man auch mit einem Sonett die einfachsten Dinge der Welt beschreiben kann. Man muss nicht immer alles zu kompliziert sehen.
Anmerkungen:
"I cry your mercy" kann in diesem Fall als ein Idiom für "I bag your pardon"
angesehen werden, also eine schlichte einfache "Entschuldigung".
Zur besseren Übersicht, und bezüglich der Struktur eines Shakespeare-Sonetts habe ich zwei Leerzeilen eingfügt, die normalerweise nichts darin verloren haben.
I cry your mercy--pity--love!--ay, love!
Merciful love that tantalises not
One-thoughted, never-wandering, guileless love,
Unmask'd, and being seen--without a blot!
O! let me have thee whole,--all--all--be mine!
That shape, that fairness, that sweet minor zest
Of love, your kiss,--those hands, those eyes divine,
That warm, white, lucent, million-pleasured breast,-
Yourself--your soul--in pity give me all,
Withhold no atom's atom or I die,
Or living on, perhaps, your wretched thrall,
Forget, in the mist of idle misery,
Life's purposes,--the palate of my mind
Losing its gust, and my ambition blind!
|
Ich fleh Dich an um Gnade, Mitleid, Liebe! --
Ja, Liebe voller Gnade, die nicht quält,
Einhellige, stets feste, offne Liebe,
Nie Maske, makellos -- die nichts verhehlt!
O! gib dich mir ganz hin -- sei ganz, ganz mein!
Mit Schönheit, Leib, der süßen kleinen Lust
Davor, dem Kuß -- die Hand, den Blick so rein,
Die warme, weiße, endlos-weiche Brust -
Dich selbst -- die Seele -- gib und sei gerecht,
Behalt kein kleinstes Stück, sonst sterbe ich;
Und leb ich doch, dein jämmerlicher Knecht,
Verließ im Nebel eitlen Elends mich
Mein Lebenssinn -- mein Geist geschmacklos, stumpf
Sein Gaumen, und mein Ehrgeiz nur mehr dumpf!
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Schlusswort
Natürlich gibt es noch eine ganze Menge anderer Werke von John Keats. Sowohl von den bisher besprochenen Formen, als auch anderweitig. Aber der Sinn dieser Texte war lediglich etwas Neugier für einen Dichter zu wecken, der trotz offener Widersprüche, wie kein anderer ein Verhältnis dazu hatte, nicht Dinge zu beschreiben die er sieht, sondern aufgrund seiner Vorstellungskraft entstanden sind. So liegt es bei jedem einzelnen einen Bezug dazu zu finden, oder nicht, - und vielleicht ein wenig selber nach zu forschen, ob der Sinn alles in kausalen Abhängigkeiten sehen zu wollen, wirklich ausreicht um Menschen in ihrer Gesamtheit erfassen zu können.
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