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29.06.2013 geschr. am 08.06.2009 von eb
, - Artikel
Hommage an Petra Karin Lehmann.
Vernunft hat viele Gesichter,
aber Veränderung kennt nur eines, - Bewegung.
Wie es eine gute alte Freundin von mir einmal treffend beschrieben hat, haben die Grünen ihren Tick verloren. Das besondere Etwas, was zeitlebens dieser Partei über die Runden geholfen hat.
Diesen Charme welche sie von Anfang an als Alternative interessant gemacht hat. Ich teile diese Ansicht nicht in jeder Hinsicht, denn für mich ist diese Partei bereits vor Petra Kelly gestorben. Eine Frau welche, nicht nur für mich, zu einer der ganz wenigen wirklichen Lichtgestalten der politischen als auch gesellschaftlichen Bühne gehört hat.
Noch heute kenne ich alte Freunde welchen bei diesem Namen die Tränen kommen, und denen im wahrsten Sinne des Wortes die Rollläden herunter gehen, wenn einer dieser modernen Yuppy-Grünen es wagt den Namen überhaupt in den Mund zu nehmen. Und weiß Gott, ( wenn es ihn denn geben sollte ) - ich kann es verstehen.
Ich gehöre normalerweise nicht zu den Menschen welche zu übertriebenen Ideologisierungen von Einzelpersonen neigen, doch ich müsste lügen wenn ich es schaffen würde diesbezüglich über meinen Schatten springen zu können. Wer dies hier also zu emotional, oder unsachlich findet, der sollte auf den nächsten Blog warten, und diesen einfach auslassen. Für mich ist dies ein Stück Vergangenheitsbewältigung welche ich auch im Namen anderer betreibe. Tatsächlich waren die Versuche diesbezüglich mehr als zahlreich. Aber jeder endete ähnlich, wobei ich euch versichern kann das dieser hier lediglich der emotionsloseste von allen ist. Aber es ist der Versuch mit meinen bescheidenen Mitteln an einen der letzten ehrlichen Menschen zu erinnern, welche unser gesellschaftliches Leben im Laufe der letzten dreißig Jahre bestimmt haben.
Einig sollten wir uns schon aus Fairness sein, dass es ohne Petra Kelly wohl nie eine Auseinandersetzung mit Themen wie Frieden, Abbau von Waffenpotentialen, nationalen und internationalen Menschenrechten, Gleichberechtigung der Frauen, Veränderung der Umwelt, Lebensschutz, und Auseinandersetzung mit Atomkraft als Energiequelle, - in den uns bekannten Ausmaßen gegeben hätte. Natürlich waren auch noch eine Vielzahl anderer hieran mitbeteiligt, aber selbst viele von diesen hätten ohne die Dynamik dieser Frau nicht zu ihren Möglichkeiten gefunden. Ihr Hauptverdienst ist wohl genau dass was ihr später zur Last gelegt wurde. Der Ersatz von realorientiertem Pragmatismus im Zeichen des kalten Krieges durch Visionen. Und genau hier beginnt auch meine eigene Verbundenheit zu dieser Person, weshalb ich leider auch etwas über mich schreiben muss.
Wir waren die Wahlkinder der Schmidt-Ära, die ersten Nachkommen der Kriegsgeneration, welche sich einen neuen Wohlstand aufgebaut hatten. Der Respekt vor den Eltern und den politischen Führern war riesengroß, und gleichzeitig von schweren Zweifeln durchzogen. Dies führte zu so schizophrenen Einstellungen dass man Hellmut Schmidt mit Respekt gewählt hatte, aber gleichzeitig gegen ihn auf die Straße ging. Man ließ sich tatsächlich von den gleichen Leuten niederknüppeln welchen man sein Kreuz gegeben hatte. Man ging zur Wahlurne, machte sein Kreuz für die SPD und unterschrieb nicht mal ein Jahr später den Krefelder Appell.
Wer dies bewirkt hatte braucht ihr nicht erst zu fragen. Bereits 79 kam auch das abgestumpfteste Hirn nicht mehr an einer Bewegung vorbei an deren vorderster Front eine merkwürdig unscheinbare, aber gleichzeitig unglaublich charismatische Frau agierte welche einfach nicht zuließ dass man sie ignorierte. Und mit der Zeit, wenn man einen Rest Ehrlichkeit besaß, musste man sich einfach eingestehen dass diese Wirkung aus der einfachen Authentizität dieser Person herrührte.
Etwas völlig neues war geschehen. Keine wohl überlegten politisch strategisch korrekten Reden mehr, welche, wie heute auch, diese Mischung zwischen Mainstream und selbst gesteckten Zielen diplomatisch unter´s Volk mischte. Stattdessen plötzlich heißblütige, leidenschaftliche Appelle an alle. Ohne Ausnahme. Und was vollkommen undenkbar war. Nach jahrelangem Herumhampeln mit der Ratio des effektiven Handelns in Form von unermesslichen Waffenbeständen welche alle gleichzeitig aufeinander zielten, gab es plötzlich etwas was als Alternative im Raum stand. Eine Vision. Mehrere Visionen. Die kühl geprägte Welt von uns Jungsozies wurde gehörig ins Schwitzen gebracht durch Ideen welche durchaus vorher schon existiert hatten, - aber jetzt traten plötzlich Menschen ins Rampenlicht welche sogar innerhalb des politischen Kontextes diese Ideen nicht mehr versteckten, sondern Visionen als machbare Perspektiven vorstellten. Dies erklärt vielleicht ein wenig diese Schizophrenie in welcher wir damals lebten. Was mich betrifft war es eine Art geistiger Kampf, bei welcher plötzlich eine bis dato vorhandene Leere gefüllt wurde. Auf der einen Seite die alles im Voraus kalkulierende Ratio welche keinen Platz zum Träumen ließ, und auf der anderen der schlichte Hinweis das eigentlich nur eine quantitative Tatkraft nötig ist um ganze Welten zu verändern. Und ihr könnt mich jetzt auslachen, aber ich wollte das die Vision über die Ratio gewinnt, und begann mich mit vielen anderen zusammen friedenspolitisch zu engagieren.
Um es noch einmal etwas bildlicher auszudrücken. Auf der einen Seite eine vollkommen in Regeln, und Ritualisierungen, und vor allen Dingen sehr konservativen Ansichten erstarrte Gesellschaft, welche sich keinen Jota mehr bewegte, und auf der anderen Seite plötzlich eine Frau welche eine St. Crispians-Ansprache aus Shakespeares Heinrich dem fünften, welcher es geschafft hatte in einer Nacht 12000 Soldaten zu überzeugen am nächsten Tag gegen 60000 Feinde zu gewinnen, nach der anderen in den Raum jagte. Doch wer jetzt glaubt das dies etwas mit Populismus oder schlichter Volkstreiberei zu tun hat irrt gewaltig. An der Argumentation der schlichten einfachen Menschlichkeit kommt keiner vorbei. Und dies war nun einmal die uneingeschränkte Begabung einer Petra Kelly. Nicht weil sie es wollte, sondern weil sie es lebte. Gerade diese Authentizität legte die damalige Gesellschaft in all ihren Auswüchsen ununterbrochen bloß. Karikierte sie ohne das ein Karikaturist am Werk war.
Mit dieser empfundenen Echtheit einer Person verbunden, war natürlich unbedingt auch ihr Wirken außerhalb der Botschaften. Statt starrsinnig an alten Dingen festzuhalten machte sie Nägeln mit Köpfen, trat einfach aus der SPD aus, und gründete mit anderen bekannten Personen die Partei der Grünen. Und ihr könnt sicher sein. Wenn diese Partei über die 80iger hinaus noch ernst zu nehmen gewesen wäre hätte ich meine politische Heimat gewechselt. Doch das Gegenteil trat ein, und ich hörte ganz mit dem Wählen auf. Merkwürdigerweise war es für unsereins besonders ein Otto Schily, welcher zwar auf eine Zusammenarbeit zwischen SPD und Grünen hinarbeitete, was viele von uns
hätte freuen sollen, aber gleichzeitig war es auch diese Spaltung zwischen Realos und Fundamentalisten welche uns richtiggehend mit Trauer erfüllte. Die neue Spaltung zwischen Realpolitik und Visionären wurde gesellschaftlich unterbrochen, ohne ihren Kampf auf anständige Art und Weise zu Ende gebracht zu haben, und wurde plötzlich innerhalb der Partei der Visionäre selber ausgetragen.
Personen wie Otto Schily, Joschka Fischer sowie Daniel Cohn-Bendit standen plötzlich Personen wie Petra Kelly, Jutta v. Ditfurth, Rainer Trampert und Thomas Ebermann gegenüber. Heute werden die ersten als Professionalisten, und die zweiten als Romantiker bezeichnet, ohne auch nur andeutungsweise zu wissen worum es wirklich ging. Der Realoanteil der Grünen war für mich jedenfalls Grund genug keine geistige Trennung mehr zwischen den Grünen, und
den anderen Parteien zu vollziehen. Da halfen auch keine Turnschuhe im Bundestag mehr. Besonders in der Zeit Mitte der 80iger nahm der Grabenkampf der Grünen wahrhaft demagogische Formen an. In diesem Umfeld kann man durchaus mal auf eine andere Person verweisen, nämlich Jutta v. Ditfurth welche sich tatsächlich erlaubt hatte die Denkweise mancher Parteigenossen mit denen rechtsradikaler Gruppierungen zu vergleichen. Ein Vergleich dem ich mich in dieser Zeit durchaus angeschlossen habe.
Auch ist ein Vergleich zwischen den Geschehnissen um Jutta v. Ditfurth, Joschka Fischer, und einem Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder sehr interessant.
Was viele aus meinem Umfeld zu dieser Zeit menschlich mittlerweile zutiefst befremdete war eine richtiggehend menschenverachtende Einstellung von Teilen der Umweltschützerszene. Nicht nur dass hier Spontis auch im normalen alltäglichen Umgang am Werk waren, welche mit geradezu haarsträubender Arroganz und Überheblichkeit alles als dumm erklärte was nicht anstandslos direkt allem gesagtem zustimmte, - nein es kam auch eine mehr als deutlich gezeigte Verachtung für die Menschen als Verursacher von Umweltverschmutzungen herüber.
Was für ein Unterschied zwischen der Menschenfreundin Petra Kelly und der nun herrschenden grünen Gesellschaft. Themen waren nun nicht mehr leidenschaftlich ehrlich und visionär, sondern kalkulierter Sachverhalt mit Akzeptanz der herrschenden Wirtschaftstrukturen. Menschenliebe war nicht mehr gelebte Empfindung, sondern ein politisch strategisches Rhetorikum. Machtwille war nun angesagt, - um jeden Preis. Ein Machtkampf welcher besonders Ende der 80iger in ein Geschäft mit der Angst gipfelte bei welchem die damalige Carter Studie Global2000, so unbeholfen sie auch war, bis zum Anschlag instrumentalisiert wurde. Ein Machtwille welcher sich bis heute stetig erhöht, und dabei alles verkauft hat, was die Ursprünge der grünen Partei jemals in ihren Anfängen ausgezeichnet hat.
Ende der 80iger und in den 90igern enstand zusätzlich eine richtiggehende Medienlandschaft des Umweltschutzes welche mit allen Mitteln der Meinungsmache und Manipulation hantierte.
Vielleicht ist es möglich die Beweggründe für die Manipulationen einem guten Zweck, - eben dem Umweltschutz zuzuschreiben, aber die Vorgehensweisen dafür
waren der ultimative Gegenpart zur Vorgehensweise einer Petra Kelly. Die Motivation dieser Frau war Menschlichkeit und Wahrheitsfindung. Die Basis für Umweltschutz waren für sie die Menschen, nicht ein Prinzip des Umweltschutzes. Einer der großen Vorwürfe der Grünen in ihren Gründertagen waren die ständigen politischen Manipulationen, und nun bediente man sich derselben mit geradezu grotesker Potenzierung. Einer der ebenso großen Vorwürfe der Grünen am Anfang war die Realpolitik und ihr pragmatischer Starrsinn welcher keinen Ausweg bot, und nun versuchte man diese Realpolitik selber nachzuahmen. Ebenso groß waren die Vorwürfe gegen den ständigen Einfluss der Wirtschaft auf das politische Handeln, und nun schloss man Kompromisse indem Ökonomie und Ökologie werbewirksam verzahnt wurden. Und über allem thronte nun ein Joschka Fischer als grüner Sympathieträger Nummer 1. Rhetorisch und werbestrategisch mit allen Wassern gewaschen führte er diese hoffnungsvolle Neuerung unserer Gesellschaft zwar zu wahlpolitischen Erfolgen, aber gleichzeitig in den charakterlichen und ideologischen Abgrund.
Wie vergleiche ich heute einen Grünen welcher ausreichend situiert ist um sich Gedanken zu machen ob sich der Kauf eines 12000 Euro teuren esoterischen Gerätes zum Auffangen kosmischer Energien lohnt, während gleichzeitig 17 Prozent Armutsgrenze im Land herrscht, mit dem leidenschaftlichen Esprit einer Petra Kelly welche von der Not der Menschen sprach.
Wie vergleiche ich Menschen welche im Zeichen von guter Luft ohne jede Voraussicht ganze Ländereien in Sprit verwandeln, mit einer Frau welche gegen Atomkraft mit dem absolut berechtigtem Argument der Risikofolgenabschätzung argumentiert hat.
Wie vergleiche ich selbstgefällige Ignoranten denen gesundes Essen über alles geht, und die absolute Gesundheit als politisches Dogma betrachten, während eine Petra Kelly von der Armut in der dritten Welt gesprochen hat.
Und wie vergleiche ich heute Menschen welche ihr gesamtes Denken und Handeln einem Markt unterordnen, welchen eine Petra Kelly als Urheber von Hunger und Armut ausgemacht hat.
Nein, - der Weg der Realos war der falsche Weg. Er hat lediglich eine politische Partei etabliert, aber keine Änderung gebracht. Schlimmer noch. Mit den Grünen ist die Möglichkeit gestorben Visionen als Alternative zur Ratio zu betrachten, und damit bleibt alles beim Alten. Und noch schlimmer, - es ist die Akzeptanz dafür das Ideen und Visionen nur brauchbar sind wenn sie innerhalb des Marktes brauchbar sind. - Verkäuflich sind. Damit ist auch der Umweltschutz zu einer Ware geworden. Die Menschenrechte. Ja selbst die Gleichberechtigung kann sich
mittlerweile werbewirksam vermarkten lassen.
Deshalb ist jede heutige Anlehnung der Grünen an die Person Petra Kelly einfach nur noch scheinheilig und in höchstem Maße geschmacklos.
Genauso wie ein Müntefering es lieber stecken sollte die heisere Stimme eines Willi Brandt nachzuahmen, sollte auch eine Claudia Roth versuchen erhöhten Kaffeekonsum nicht mit der Dynamik einer Petra Kelly zu verwechseln. Es ist schal und abgeschmackt.
Ein Vergleich, in welcher Form auch immer ist heute nicht mehr möglich. Der Grüne von heute ist satt und zufrieden. Profiliert sich ein wenig in Umwelt-, Klima,- oder/und Gesundheitsschutz, - unterhält sich abends beim Bier über Aktien und Rendite, treibt sich auf Wellnessmessen herum und entlässt morgen im Zeichen der Wirtschaftskrise ein, oder zwei Arbeitnehmer im gutgehenden Solarbetrieb. Realpolitik eben.
Was bleibt ist Wehmut, und dabei wird es wahrscheinlich bleiben. Aber was ebenso bleibt ist ein Bild. Das Bild einer Frau voller Menschenliebe und der nötigen Leidenschaft dies nicht zu verkaufen sondern zu leben. Ein Bild welches nicht mehr wegzudenken ist. Welches sich eingebrannt hat in die Herzen vieler Menschen als Möglichkeit das es auch anders geht.
Ein Bild, welches außerhalb jeder politischen Gesinnung von ganz alleine stehen bleiben kann, und wenigstens den Funken der Hoffnung übrig lässt.
Und wenn wir schon davon reden, das unsere Kinder Vorbilder benötigen. Welche präsentiert ihr euren?
Ist die Entwicklung der Grünen über dich hinweggegangen?
Petra Kelly: Vielleicht. Die Grünen sind nicht mehr das, was ich einmal mit dem Schlagwort "Antiparteien"-Partei gemeint habe, die ich mir übrigens immer noch wünsche. Sie bieten zur Zeit ein verworrenes und kaputtes Bild. Im Augenblick fühle ich mich in der Rolle des Zuschauers, der sich über das atemberaubende Tempo wundert, mit dem die Grünen sich zu ihrem Nachteil verändern. Die "Sozialdemokratisierung" der Grünen schreitet voran. Wenn das so weitergeht, frage ich mich: Wozu denn noch eine grüne Partei?
Die Grünen sind eine richtige Machterwerbs- und Wahlkampfpartei geworden, sehr taktisch und routiniert, ständig auf sich selbst fixiert.
Quelle Interview mit Petra Kelly 1990
Auszug aus einem Interview mit Petra Kelly 1990
"Petra Kelly war eine Heilige", sagte Joschka Fischer, "die grüne Jeanne dArc unserer Tage", nannte sie Alfred Mechtersheimer zu Beginn eines BBC-Films über das "Vermächtnis Petra Kellys" (April 94).
"Joschka? Alfred?", höre ich Petra innerlich schreien, "das kann doch nicht wahr sein!"
- Was tut man mit Heiligen, mit denen man sich zu Lebzeiten so schwer tat, nach ihrem Tod?
Sollte man, statt solcher Glorifizierungen nicht lieber ihre Visionen aufgreifen, umzusetzen versuchen, oder zumindest darüber sprechen?
Nichts dergleichen geschieht. Petra Kellys zahllose Reden und Publikationen sind zwar archiviert, doch in der politischen Landschaft Deutschlands sind sie weitgehend vergessen.
Quelle:
Eine Freundin erinnert an Petra Kelly von Christiane Gollwitzer
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