Klick macht dick.
Jetzt muss sich unsereiner doch glatt noch in ein Metier wagen, wo er sich eigentlich nicht, bzw. nur bedingt auskennt. Sinnigerweise, - ist aber gerade dies der Grund, warum man sich wagt, - aber auch erst mal mit einer mittelschweren Einleitung beginnen muss.
Krimis waren die letzten zehn Jahre praktisch tot. Ausgestorben für unsereins. Was auf keinen Fall bedeuten soll, dass es keine guten gegeben hat. Doch allzu offensichtlich, war hier ein Fernseh-gerechtes Trendsetting spürbar, welches irgendwann anfing, sogar zum Personenkult von Krimi-Schriftstellern, bzw. ihren Protagonisten zu werden. Ich nenne dies immer gerne das TV-Tatort-Syndrom. Aber wie beim Tatort selber, war außer Krimi, eben auch nicht mehr drin. Und nachdem man, aufgrund der üblichen gesellschaftlichen Geschenkverpflichtungen, auch bei den neuzeitlicheren Vertriebs-gestylten Skandinaviern, genauso wie bei irgendwelchen Kluftingers, immer das gleiche Schema entdeckt hatte, war die Ermüdung irgendwann so groß, dass man auch die Lust daran verlor. Ein spezieller Grund dafür, war zusätzlich der, dass man sich zwar durchaus noch an alte Krimis mit Gesellschaftskritik darin erinnern konnte, - aber das letzte Jahrzehnt, fiel- und fällt doch nun wirklich durch eine ausgesprochene Verklemmung in dieser Richtung auf. Ganz besonders deutlich vor Augen geführt, hat mir dies der Hype um den Isländer Arnaldur
Indridason. Durchweg intelligente Stories, aber eben nicht nur mehr als einem gängigen, fast schon Klischee entsprechend, welches das letzte Jahrzehnt irgendwie überhaupt nicht wahr nimmt, - und stellenweise sogar allzu auffällig in die Möglichkeit ausweicht, Verbrechen in der Jetzt-Zeit, - mit Zusammenhängen aus dem kalten Krieg oder/und z.B. KGB-Geschichten zu verknüpfen. Kurzum, der Krimi hat für mich seine Zeitfühlung verloren. Ob aus Angst, eigenem Ideologentum oder einfach nur, weil von Verlegerseite aus, sich so etwas nicht verkauft, - sei dahin gestellt.
Weshalb einen der kleine Untertitel; "Ein bürgerlicher Kriminalroman" beim "Ostseeripper" von Hartmut Finkeldey, irgendwie elektrisiert hat. Schon dieses; "bürgerlich", springt einem als offene Kampfansage an die vermuffte selbst-betrügerische Doppelmoral einer Bürgergesellschaft, von der eher harmlos anmutenden Titelseite entgegen. Und auch schon an den ersten Seiten, den ersten Satzstellungen eines eigenwillig bockenden, aber nach einigen Seiten Gewöhnung, in herrlichen, Nächte-vernichtenden Fluss übergehenden Schreibstiles, merkt man, dass hier jemand nicht nach; "Nase", "Trend" oder Verlagswillen schreibt. Die Story selber, eine Serie von Morden an der Ostsee, welche durch ein Lübecker Kommissariat behandelt wird, dient als Basis eines niemals unterbrochenen roten Fadens, welcher eine mehr als intelligente Verknüpfung von Unterhaltung, Spannung,
sehr intensiv spürbarem Rechercheaufwand des Metiers, - und handfester zeitgemäßer Gesellschaftskritik anbietet.
Wobei dieses; "zeitgemäß", einem geradezu befreiend vorkommt. Ob der Autor nun mit scharfer Feder; die für alle nachvollziehbare; "zeitgemäße" Drücker- und Leistungsmentalität eines Callcenters beschreibt, die "zeitgemäßen" Einwürfe und Fall-relevanten Abhängigkeiten von HARTZ-IV Empfängern endlich mal zu Wort kommen lässt, die "zeitgemäße" verlogene über-managte Welt der Aussichtslosigkeiten beschreibt, die "zeitgemäße" Korruption von Ämtern und Hierarchiegeflechten, - oder die "zeitgemäß" fehlende Wahrnehmung der Unterschiede einer Studentenkultur, speziell aus dem Literaturbetrieb, - zwischen Früher und Heute. Wobei ausgerechnet letzteres, als bürgerlich mittelschichtiges Unvermögen, die Unterschiede wahr zu nehmen, sogar dazu führt, - die Ermittlungen des Kommissariats im Kreise drehen zu lassen, - und letztendlich entscheidend für die Lösung des Falles sind.
Wunderschön aus-tariert dabei, - eine Verhältnismäßigkeit zwischen intellektueller Resignation und bürgerlicher Ignoranz. In die Beschreibung der instabilen, aber aufs Warten verlegte Beziehung, zwischen dem bürgerlichen Hauptprotagonisten und seiner bürgerlich gewordenen Frau mit immer noch offenem Kunstblick, - kann man sich geradezu verlieben. Doch bevor ich hier allzu viele Details verrate, - komme ich lieber zum Schluss. Es wird wohl eine Weile gehen, bis die Ehrlichkeit dieses Buches Konkurrenz bekommen könnte. Aber, - wenn sich dies zu einem sinnvollen neuen Trend entwickeln sollte, hätte ich keinerlei Probleme damit, auch noch zum Krimi-Fan zu werden. Findeldey-Fan, - bin ich auf jeden Fall jetzt schon. Unbedingt lesenswert.